Rangezoomt Tours - Tag 1
31.12.2021 03:00Die Drei-Haven-Tour bekam ihren Namen von mir gar nicht in erster Linie von den drei Hauptmotiven, die das Ziel meiner Reise waren, sondern ergab sich tatsächlich eher aus den Unterkünften oder naheliegenden Städten und den vielen kleinen Nebenmotiven, die ich jeweils in der Gegend rund um die Hauptmotive noch auf dem Zettel hatte..
TAG 1
Die erste tournamengebende Stadt war Wilhelmshaven. Wobei ich an dieser Stelle sagen muss, dass ich dort letztlich gar nicht war. Eigentlich hatte ich auf der Hinfahrt dort Halt machen und mich ein bisschen im Hafen umsehen wollen, natürlich mit der Kamera im Anschlag. Aber es ergab sich, dass ich direkt durchgefahren bin nach JEVER, wo ich für die erste Nacht ein Zimmer gebucht hatte.
Ich hatte eigentlich noch dichter an die Küste gewollt, wo mein SPOT des Tages (oder vielmehr des Abends) lag, aber wenn man so eine Tour so kurzfristig und inmitten der Sommerferien bucht, muss man natürlich Abstriche machen. Und in Jever hat es mir tatsächlich so gut gefallen, dass ich im Nachhinein sehr froh darüber war, dort „gelandet“ zu sein. Denn so nutzte ich den Nachmittag für einen ausgiebigen Stadtspaziergang, eine kleine Sightseeing-Runde sozusagen. Und anzusehen gab es reichlich in Jever.
Wer mich auf diesem kleinen Stadtrundgang begleiten möchte, für den gibt es hier ein paar „Impressionen“ - sprich einiger meiner Erinnerungsfotos von unterwegs (alle nur mit dem Handy aufgenommen).
Stadthotel Jever --> empfehlenswert!
Gastronomie im Städtchen
Ja, das kommt wirklich von hier
"Fan-Artikel" von Jever.. nun ja. Wir bleiben lieber bei Flensburger
Windmühle mitten im Ort
Noch mehr Gastronomie
Viele schicke Gebäude und Kunstobjekte
Schossmuseum
Schlossgarten
Details an Gebäuden
Nun aber zu DEM Motiv. Ich hatte glaube ich schon vorletztes Jahr das erste Mal ein Bild davon gesehen und war sofort gefesselt, der Spot landete gedanklich direkt auf meiner Wunschliste. Allerdings war bei der geografischen Lage auch gleich klar, dass das nicht mit einem Tagesausflug für mich machbar sein würde. Als sich nun die Möglichkeit ergab, einige Tage zum Fotografieren zu fahren, stand es an erster Stelle: Das
SCHIFFSWRACK in Schillig
Die Überreste dieses Schiffs liegen vor Schillig im Watt und werden somit bei Ebbe sichtbar, und ich finde das einfach total faszinierend. Sowas ist ja in unseren Breitengraden definitiv selten zu sehen. Seit wann liegt es da, warum wurde das Schiff nie geborgen? Unabhängig von der Geschichte dahinter, fand ich das optisch einfach mal etwas außergewöhnliches. Dieses Wrack bei Sonnenuntergang aufzunehmen, da war ich heiß drauf wie Frittenfett. Ich sah die fertigen und grandiosen Bilder schon vor mir.
Von der Recherche bzw. Planung war es das bisher aufwändigste Motiv. Denn da es eben im Watt liegt, gilt es natürlich viele Punkte zu bedenken. So maß ich vorher über google Maps die Entfernung zum Strand aus, googelte AUSGIEBIG alles zu Ebbe und Flut an dem genauen Datum, prüfte wie immer den Sonnenstand, lud mir zur Sicherheit einen Kompass aufs Handy (plötzlich aufziehender gefährlicher Seenebel und so, jahaaa).
Generell recherchiere ich ja vor einer Tour immer so grundsätzliche Aspekte wie eben Sonnenauf- und untergangszeiten, Sonnenstand, Parkplatz in der Nähe usw., um gut vorbereitet zu sein. Es gibt ja durchaus Situationen, in denen man das gewünschte Bild einfach nicht aufnehmenn kann. Wenn die Sonne zum Beispiel gar nicht hinter dem tollen Gebäude untergeht, sondern weit daneben, oder oder..
Ich hatte wirklich Glück, dass genau zu meiner Reise das Niedrigwasser und der Sonnenuntergang einigermaßen zusammen passen sollten. Tierisch aufgeregt war ich trotzdem, denn ich war ja allein unterwegs, und in Norddeutschland aufgewachsen sind mir die Gefahren des Wattenmeers sehr wohl bewusst. Gibt es womöglich einen Priel zwischen Strand und Wrack? Klingt vielleicht übertrieben, kann aber eine lebenswichtige Frage sein..
Außerdem war ja auch direkt klar, dass die Vor-Ort-Bedingungen natürlich per se weit unkomfortabler sein würden als an einem „herkömmlichen Spot“ an Land. Schließlich kann man im Watt nicht mal eben seinen Rucksack oder etwas anderes auf dem Boden ablegen zum Beispiel. So hatte ich mich dann mit einer extra Bauchtasche ausgestattet, um die Hände einigermaßen frei zu haben, bzw. an alles ranzukommen, hatte mein altes Stativ eingepackt wegen dem Modder und und und.. Ich war wirklich bis ins kleinste Detail perfekt vorbereitet. Was ich leider nicht planen oder beeinflussen konnte, war – wie immer – das liebe Wetter. Und das machte mir dann prompt einen Strich durch meine so gut kalkulierte Rechnung.
Nachmittags hatte ich das Städtchen Jever noch bei Sonnenschein erkunden können, doch je später es wurde, desto grauer und schwüler wurde es, und dann zogen auch schon die ersten Gewitter durch. Dass ich das Vorhaben (fast) um jeden Preis umsetzen und auch bei schlechtem Wetter einen Versuch wagen würde, war klar, aber die Motivation sank schon merklich und die Enttäuschung wuchs. Genau so wie die Aufregung. Ja, ich muss gestehen, ich war furchtbar aufgeregt. Das Ziel war mir SO wichtig, ich wollte eben unbedingt super Fotos mit nach Hause bringen, wenn ich schon 300 Kilometer da runter fuhr. Aber dass ich meine Erwartungshaltung gewaltig runterschrauben musste, war bei der Wetterlage schon absehbar.
Ich startete also trotzig in Richtung Schillig. Unterwegs war schon alles sehr nass, es stand teilweise viel Wasser auf den Flächen, und der ausgesuchte Parkplatz am frühen Abend war schon leer, obwohl ich befürchtet hatte, womöglich gar keinen freien Platz zu kriegen. Da musste ganz schön was runtergekommen sein, wenn sich die Urlauber alle hatten schon vertreiben lassen. Aber es nützte nichts, ich musste das einfach durchziehen. Der deutsche Wetterdienst sagte zwar weiteren Regen, aber keine Gewitter mehr voraus (DAS wäre mir dann wirklich zu heikel geworden).
Vor Ort also nochmal konzentriert die Ausrüstung gecheckt: Kamera, Objektiv, Filtertasche, Tücher, Ersatzakku, Handy, Stativ, Stativplatte auch an der Kamera, Autoschlüssel in eine Reißverschlusstasche. Und ne blöde Regenjacke. Es war zwar nach wie vor piwarm, und ich hasse ja beim Fotografieren fast nichts mehr als unnötigen Ballast, aber ich hatte auch überhaupt keine Lust, im Fall der Fälle nass bis auf die Haut zum Auto zurückzutrotten, denn es war schon ein ganz schöner Fußweg vom Parkplatz den Deich entlang durch die Dünen zum Strand, den durchs Watt nicht zu vergessen.
Da es erstaunlich wenig Bilder oder Filmaufnahmen von dem Wrack gab und ich anhand der Entfernung in google Maps nicht sicher einschätzen konnte, ob man das Wrack vom Strand aus gut sehen kann, staunte ich nicht schlecht, als ich mit meinem ganzen Geraffel oben auf dem Deich ankam und es schon von weitem deutlich sehen konnte. Das Wasser war bei meinem Eintreffen auch schon weitgehend weg. Ich hatte ursprünglich schon viel früher an den Strand fahren wollen, um mich noch in den Sand zu setzen und zu chillen und dann quasi zusammen mit dem ablaufenden Wasser ins Watt zu stiefeln, um bis zum auflaufenden Wasser die größtmögliche Zeitspanne zur Verfügung zu haben. Bis dahin hab ich tatsächlich immer noch gedacht, ich baue mein Stativ auf am Wrack und packe meine Filter aus, um in aller Seelenruhe Langzeitbelichtungen von dem ehemals schmucken Objekt der Begierde zu machen. Aufgrund der vorher durchziehenden Gewitter war eine zeitige Ankunft ja aber schon mal ausgefallen.
So konnte ich dann aber direkt ins Watt aufbrechen. Ich hatte vorher lange überlegt, welches Schuhwerk ich tragen soll. Von Barfuß laufen wurde aufgrund der Muscheln usw. abgeraten, und da ich vorher ja auch nicht wusste, welches Wetter, also welche Temperaturen ich auf meiner Reise haben würde, hatte ich Angst, bei einem längeren Aufenthalt im Watt zu kalte Füße zu bekommen oder mir die eben kaputt zu schneiden und mit meiner Ausrüstung hilflos auf einem Bein oder alternativ allen Vieren zurück zum Strand zu hinken oder kriechen. Barfuß fiel also aus. Gummistiefel auch, denn es war klar, dass es darin schwierig sein würde zu laufen. Von wegen einsinken und steckenbleiben und so. Also hatte ich wie empfohlen ein paar alte fest geschnürte Turnschuhe an, die – sollte es mit dem Matsch ZU schlimm werden – anschließend in die ewigen Spotschuhgründe hätten eingehen können, nachdem sie eine Rundfahrt in der Waschmaschine nicht davon überzeugen könnte, einen zumindest einigermaßen brauchbaren Zustand wiederzuerlangen.
Bevor ich den ersten Schritt wagte, aktivierte ich in WhatsApp noch das Senden des Live-Standortes an meinen Mann – meine Lebensversicherung sozusagen. Wir hatten vereinbart, dass ich Bescheid gebe, wenn ich ins Watt marschiere und mich wieder melde, sobald ich wieder „an Land“ bin.
Voller Schwung und Elan, bepackt von oben bis unten und motiviert bis in die Haarspitzen, marschierte ich also los. Und wäre schon bei den ersten Schritten fast auf dem Hosenboden gelandet. Verdammt. Das war aber glitschiger und nachgiebiger als ich dachte. Schon nach wenigen Schritten wurden selbige deutlich langsamer und gingen in schmatzendes Stapfen über, weil der Meeresboden leider nicht die gewünschte -oder vielmehr erwartete – Konsistenz hatte. Nach ein paar weiteren Metern schlupfte ich bereits trotz krampfhaftem Festhalten bei jedem Schritt halb aus einem der beiden Schuhe und verlor dabei mehrfach so abrupt mein Gleichgewicht, dass ich mich schon der Länge nach im Modder landen sah – inklusive der am Körper mitgeführten Fotoausrüstung im Wert eines Kleinwagens. Ok, eines kleinen Kleinwagens. Eines alten kleinen Kleinwagens, aber egal. Meiner Fotoausrüstung!!
Der Weg zum Wrack entpuppte sich als wahrer Albtraum und wurde gefühlt auch kein Stück kürzer, obwohl ich mich – laut schnaufend und noch lauter fluchend - tapfer weiter vorwärts kämpfte. Nach ungefähr einem Drittel der Strecke schlupfte ich diesmal komplett aus meinem rechten Turnschuh, der laut seufzend tief im Schlick steckenblieb, während mein Fuß sich schon einen halben Meter weiter in den Modder senkte. Vielleicht kam das Seufzen auch von mir, aber wir wollen mal nicht zu detailverliebt sein. Der Schuh steckte jedenfalls fest. Also so richtig. Der ließ sich (allein mit Hilfe meines Fußes, denn die eine freie Hand wollte ich auf gar keinen Fall schmutzig machen, da ich ja noch meine Fotosachen anfassen wollte) beim besten Willen nicht mehr aus dem Watt ziehen. Da stand ich nun mit einer auch schon halb verlorenen, matschigen Socke rechts und einem immerhin treuen Schuh links. *schulterzuck* Nur zwei Schritte weiter verabschiedete sich allerdings auch mein anderer Schuh ebenfalls endgültig vom Fuß. Der linke wollte sich wohl doch nicht vom rechten trennen und erklärte sich spontan solidarisch mit dem zurückgebliebenen Treter. Die Treue galt also offensichtlich mehr dem Turnschuhkumpel als seiner Trägerin..
Aufgrund der schlichten Tatsache, dass ich einfach absolut keine Möglichkeit hatte, die blöden Schuhe mitzunehmen - ließ ich sie tatsächlich zurück. Zu dem Zeitpunkt – wirklich, ehrlich und hoch und heilig versprochen – aber noch in der Annahme, die auf dem Rückweg vom Wrack einzusammeln und der nächsten Mülltonne zuzuführen. Um das mal vorweg zu nehmen: das hat leider nicht funktioniert. Auf dem Hinweg dachte ich nämlich noch, ich könnte meinen tiefen Fußspuren folgen und die Dinger so auf dem Rückweg wiederfinden, aber dieser Plan wurde nachhaltig von einer nicht gerade kleinen Gruppe Kindern mit ihren Müttern sabotiert, die – so vermute ich – einen abendlichen Ausflug vom direkt am Deich gelegenen Erholungsheim ins Watt machten und dabei so zahlreich neue Spuren in dem Modderfeld hinterließen, dass eine Rückverfolgung meiner eigenen später nicht mehr möglich war. Auf das muntere Geklettere der jungen Mitmenschen auf dem extrem verrosteten Schiffswrack, das zumindest die Mütter in keinster Weise zu stören schien, will ich an dieser Stelle mal gar nicht näher eingehen.. Wenn ich mich bisher jedenfalls öfter mal beim Finden entsprechenden Strandguts gefragt habe, wie zum Henker man seine Schuhe verlieren kann, habe ich nun künftig eine Theorie dazu. Und ich würde mich freuen, einen von meinen bequemen und einst ansehnlichen Schuhen mal in Dänemark am Strand wiederzufinden. Und wünsche mir natürlich, dass die ollen Dinger keinen Schaden im Meer anrichten.
Als ich das Schiffsgerippe endlich erreicht hatte, traf mich dann auch endlich mit voller Wucht die Erkenntnis, dass das Fotografieren – zumindest so wie ich es geplant hatte – überhaupt nicht umsetzbar war. Diese offensichtliche Tatsache hatte ich während meines Fortbewegungskampfes durch das unwegsame Gelände (und vielleicht auch aufgrund meines akuten Schuh-Abschiedsschmerzes) offenbar erfolgreich verdrängt.
Der Boden um das Wrack herum war natürlich genau so weich und schlammig und glitschig wie der Weg dorthin. Und die „Pfützen“, die ich zwar erwartet hatte und die ich gekonnt und vorteilhaft in meine Bildgestaltung hatte einbeziehen wollen, hatten leider auch eine ganz andere Dimension. Da stand doch recht viel Wasser ums Wrack herum, und gerade in diesem Bereich gab es auch extrem viele Muscheln. So konnte ich nicht nur das Stativ nicht aufstellen (bzw. musste ich es natürlich hinstellen in den Modder, um die Hände für die Kamera frei zu haben, jedoch konnte ich die Kamera nicht drauf befestigen oder diese Konstruktion dann gar loslassen), weil es überhaupt keinen Halt hatte und einsank. Langzeitbelichtungen unmöglich. Filterfotografie unmöglich. Bilder aus der Hand... nun ja.. annähernd unmöglich. Weil es einfach nicht machbar war, in diesem Schlamm kurz einen ruhigen Stand zu finden. Natürlich habe ich aus der Hand fotografiert, aber man sieht den Bildern deutlich an, dass es eigentlich kaum funktioniert hat. Für sehr kurze Belichtungszeiten war überhaupt nicht genug Licht da, aber da man nicht einmal kurz wirklich ruhig stehenbleiben konnte, um einen vernünftigen Bildausschnitt zu wählen, manuell zu fokussieren oder einfach beim Auslösen nicht total zu verwackeln, hat es einfach keinen Spaß gemacht. Entweder man musste wieder einen Schritt machen, um nicht auf dem Mors zu landen, weil die Füße so weit weg sackten, dass man ständig das Gleichgewicht verlor, oder man musste schnell einen Schritt machen, weil einem die Muscheln die Füße zerschneiden wollten, wo man gerade hingetreten war. Es war wirklich eine Katastrophe. Das ist ja mal genau das Gegenteil von meiner Art zu fotografieren. Das hatte mit in Ruhe belichten oder zur Ruhe kommen dabei einfach nichts zu tun. Gar nichts.
Noch dazu gab der wolkenverhangene Himmel natürlich überhaupt nichts her. Keine Sonne --> keine Farben. Nur graue Matschbrühe, grauer Himmel, farbloses, dunkles Wrack..
Ich weiß nicht, ob jemand diese Enttäuschung nachvollziehen kann, aber ich war wirklich geknickt. Natürlich war mir das bescheidene Wetter ja schon beim Losgehen bewusst. Dass aus so nem Himmel und der Schlickbrühe nichts rauszuholen ist, war ja klar. Aber wäre der Untergrund ein wenig kooperativer gewesen, hätte ich auf dem Stativ immerhin noch ein paar längere Belichtungen machen können. Mit verzogenen Wolken und geglättetem Wasser, hätte das ganze vielleicht wenigstens noch ein bisschen nach was ausgesehen, so in Richtung fine art. Da hätte das Wrack raus gestochen und wäre ganz anders zur Geltung gekommen. So habe ich wirklich enttäuschende Bilder mitgebracht. Ich hab zwar versucht, das Beste aus der Situation zu machen und nicht aufgegeben, aber das tut schon weh, wenn man solche Mühen auf sich nimmt (dem Neptun ein paar glitzernde Turnschuhe schenkt), und dann überhaupt kein bisschen dafür belohnt wird. Aber da ging mir dann auch endlich das überfällige Licht auf, warum es so auffallend wenige gute Bilder von dem Wrack gibt. Da war ich wohl nicht die erste, die ihre Schwierigkeiten mit den örtlichen Gegebenheiten hatte.
Aber hey, es hätte schlimmer kommen können! Schließlich zogen die Gewitter an mir vorbei, und es regnete nicht einmal. Und ich hätte ja auch samt der Technik im Matsch landen können...
Ach Moment. Da war ja noch was..
Nachdem ich wirklich alles mir mögliche getan hatte, um ein paar brauchbare Fotos mitnehmen zu können, packte ich meine sieben an mich gebundenen Sachen wieder ein. Ich wollte gerade unmotiviert den beschwerlichen Rückweg antreten und – leider kann ich gar nicht genau erklären wie es dazu kam, ich weiß tatsächlich nicht einmal, was für eine höchst unkluge Bewegung eigentlich an dem Unglück Schuld war – es machte PLATSCH, und mein HANDY lag im Watt. Und zwar nicht in einem Watt, wie ich es kenne aus Büsum oder Friedrichskoog, das einfach einem hübschen, welligen Meeresboden ohne Wasser gleicht, auf dem man vernünftig laufen kann wie auf einem feuchten Sandboden wie es sich eben für anständiges Watt gehört.. sondern in der schlimmsten Matschepampe, die ich an (oder in) der Nordsee jemals erlebt habe. Dabei hatte ich die ganze Zeit extra so aufgepasst, dass genau so etwas NICHT passiert.
Ich werde Euch an dieser Stelle mal meine (sowieso nicht nachvollziehbaren) Gedankengänge (ist es nicht erstaunlich, wie viele Gedanken in einem Bruchteil einer Sekunde durch ein menschliches Gehirn schießen können?), meinen schier unerschöpflichen Schatz an Flüchen und Selbstbeschimpfungen und die Beschreibung meiner physisch leider unmöglich umzusetzenden Versuche, mir in den Allerwertesten zu beißen, ersparen.
Ich riss das Handy natürlich so schnell es ging aus dem Modder – geistesgegenwärtig, sogar ohne dabei noch weitere Teile meiner lebenswichtigen Technik im Watt zu versenken – und fing sofort an, es mit Taschentüchern abzutrocknen. Ohne lange zu überlegen, und ehrlich gesagt ohne wirklich zu wissen, was in einem solchen Fall sinnvollerweise am besten zu tun ist, schaltete ich das Gerät direkt komplett aus. Wäre es ein älteres Modell, hätte ich direkt den Akku entfernt, aber das geht bei meinem leider nicht mehr. Ich muss gestehen, mir fehlte bisher immer das Verständnis für Menschen, die ihr Handy ins Klo fallen ließen, aber zu meiner Schande muss ich gestehen, dass sein Handy im Watt zu versenken, vielleicht nicht unbedingt um Längen cleverer und/oder geschickter ist. Insbesondere, wenn man den Umstand berücksichtigt, dass man sich mutterseelenallein 300 Kilometer von zu Hause entfernt befindet, man (fast) keine Telefonnummern mehr im Kopf hat heutzutage, das Handy auch das Navi ist und.. ach ja.. der holde Ehegatte auf einen Anruf wartet, dass man in Sicherheit ist.
Endlich zurück am Strand stand ich da nun mit meinem Talent und der Frage, was tun? Das friesische Watt hatte sich eindrücklich in alle Öffnungen meines Handys gegraben und weigerte sich standhaft, diesen offenbar heimeligen Ort so schnell wieder zu verlassen. Die Matschepampe leistete meinen Taschentücher-Bohr-Aktionen, Raus-Schleuder-Versuchen, Fingernagel-Kratz-Attacken und Pust-Angriffen eindrucksvoll Widerstand. Na gut, dachte ich, erstmal zurück zum Auto, bevor es dunkel wird. Aber abgesehen von der Erkenntnis, dass ich ohne Handy kein Navi hatte, ließ mir die Frage keine Ruhe, wie gebe ich jetzt meinem Mann Bescheid? Ich begann mir ernsthaft Sorgen zu machen, dass er sich ernsthaft Sorgen machen könnte, wenn von mir keine Meldung kam, kein Standort mehr gesendet wurde und das Handy auch nicht mehr erreichbar wäre. Wir hatten ja vereinbart, dass er einen Notruf absetzt, wenn mir etwas passieren sollte. Und für ihn musste das jetzt schon dezent nach Notfall aussehen. Öffentliche Telefonzellen gehören im Jahr 2021 zweifelsohne der Vergangenheit an. Würde es ausreichen, sich vom Hotel aus zu melden, oder wäre dann schon lange die Seenotrettung unterwegs? Die spurenverwischende Kinderhorde hatte den Strand längst wieder verlassen, ein Leihhandy war also nicht in Sichtweite.
Nach einem inneren Kampf und wiederholtem Abwägen des Für und Widers machte ich das Handy wieder an. Es zeigte zwar die Meldung, es befände sich Feuchtigkeit in der Ladebuchse (das war mir tatsächlich auch schon aufgefallen, aber danke für die Bestätigung), verrichtete aber brav seinen Dienst. Also schickte ich dem Göttergatten und Lebensretter eine kurze Entwarnung und die Info, dass ich über das Handy erstmal nicht erreichbar bin und mich wieder melde und machte – man muss schließlich Prioritäten setzen – noch fix zwei Bilder von den optischen Folgen meiner Schlammschlacht, bevor ich das Gerät sicherheitshalber wieder ausschaltete.
Dann trat ich also auf matschigen und inzwischen mindestens acht Nummern größeren Socken den - auf eben diesen verdammt langen – Heimweg zum Auto an. Auf nassen, sandigen Socken eineinhalb Kilometer über den Deich zu latschen, ist tatsächlich auch nur marginal weniger ungemütlich, als durchs Watt. Auch und gerade, wenn dabei noch erschwerend hinzukommt, sich furchtbare Sorgen um sein verbadeunfalltes Handy machen zu müssen, wie wohl die Lebenschancen stehen nach einem unfreiwilligen Tauchgang.
Am Auto angekommen war ich schon verdammt froh und auch ein bisschen stolz auf mich, dass ich so gut vorbereitet war. Da lagen nämlich nicht nur Wechselklamotten (und Schuhe!) im Kofferraum bereit, sondern für alle Fälle auch zwei große Flaschen Wasser. Die waren dank der sommerlichen Temperaturen sogar angenehm warm. Wer duscht nicht gern schon mal auf der Stoßstange seines Auto sitzend die Beine ab, nachdem er seine Socken im nächsten Mülleimer entsorgt hat?
Nach einer zufriedenstellenden Bestandsaufnahme der verbliebenen Technik und einem sehr großen Schluck Cola, die leider dank der sommerlichen Temperaturen und der Lagerung im Auto natürlich die gleiche Temperatur hatte wie das Badewasser (so nah können Freud und Leid beisammen liegen), machte ich mich auf den Rückweg nach Jever. Ich hatte mir schon auf dem Fußweg Gedanken gemacht, ob ich den Weg zurück wohl problemlos finden würde, aber obwohl es auf der 20 Kilometer langen Fahrt zunehmend dunkler wurde und wieder anfing zu regnen, konnte ich mich Gott sei Dank an „markante“ Stellen erinnern, die mir bei der Hinfahrt aufgefallen waren und kam somit nicht vom rechten Weg ab. Nachdem mir dann noch die glorreiche Idee kam, dass ich für den Fall, dass mein Handy tatsächlich das zeitliche segnen sollte, mit dem im Hotel liegenden Tablet über wlan erstens nochmal die Strecken angucken und zweitens nach dem nächstgelegenen Elektronikfachmarkt suche konnte, um am nächsten Tag auf dem Weg nach Bremerhaven das günstigste Mobiltelefon zu kaufen, das der Markt hergeben würde, ließ meine Anspannung etwas nach. Eigentlich war ich sogar ziemlich zufrieden mit mir, dass ich diese beschissene Situation so gut im Griff hatte und so besonnen und ruhig reagiert hatte. Es wäre mir jawohl auch nicht zu verdenken gewesen, wäre ich total kopflos geworden. Handylos reichte ja schon.
Zurück im Hotel beschäftigte ich mich dann eingehend, aber erneut mit eher mäßigem Erfolg, mit der Trockenlegung und Wiederbelebung des Handys. Man ahnt ja bei der Buchung kaum, welch Vorteil ein „richtiges“ Hotel (im Gegensatz zu einer weitaus kostengünstigeren Übernachtungsmöglichkeit) hat: die Ausstattung! Ein kleines Schächtelchen mit Näh-Utensilien kann Leben retten, ich sag es Euch. Mit dem Öhr einer Nähnadel nämlich in Verbindung mit weiteren kräftigen Schwing- und Schleuderbewegungen (und das ohne das Gerät auf dem Badezimmerboden zerschellen zu lassen und damit die ungewollte Endlösung herbeizuführen) gelang es mir, eine eindrucksvolle Menge an Schlick zumindest aus der Ladebuchse zu pulen. Mit Hilfe des ebenfalls vorhandenen Föns versuchte ich dann, das für mich doch ziemlich wichtige Gerät davon zu überzeugen, etwaige noch vorhandene Feuchtigkeit bitte an die Luft abzugeben. Selbiges war diesem Plan allerdings gänzlich abgeneigt, wie ich bei einem weiteren vorsichtigen Anschalten der erneuten Meldung entnehmen durfte, es befände sich Feuchtigkeit im USB-Anschluss, und ich sollte das Laden tunlichst unterlassen, wenn mir das Leben des Geräts lieb wäre. HMPF!
Ich beugte mich also meinem Schicksal und legte das Handy ausgeschaltet und ohne es zum Laden anzuschließen über Nacht zum Trocknen aus.
Gott sei Dank konnte ich dann über das Tablet per Skype noch meine Familie erreichen und von dem mehr als ereignisreichen Tag berichten, mein Wohlbefinden bestätigen, mir Überlebenschancen des Handys zusichern lassen und mich außerdem auf die Weiterfahrt am nächsten Morgen vorbereiten.
Normalerweise müsste ich die Geschichte jetzt an dieser Stelle unterbrechen, um den Spannungsbogen aufrecht zu halten, denn der Tag ist ja jetzt sowas von zu Ende, und von dem zweiten Tag der Fotoreise werde ich in einem weiteren Artikel berichten, aber wer bis hierhin tapfer gelesen hat, der soll ja nicht mit einem Cliffhanger "bestraft" werden.
Der liebe Gott – oder wer auch immer für das Ausbügeln eigener Missgeschicke apokalyptischen Ausmaßes zuständig ist – hatte ein Einsehen mit mir: Mein Handy ließ sich am nächsten Morgen nicht nur starten und ohne beängstigende Fehlermeldung betreiben, sondern sogar aufladen. Der Stecker vom Ladekabel knischte zwar noch eine ganze Weile immer beim Anschließen (einige Wochen tatsächlich), die letzten Krümel sind glaube ich immer noch nicht raus, und die miniwinzigen Öffnungen des Lautsprechers oben sind bis heute auch nicht ganz sauber, aber immerhin tat es seinen Dienst, und ich konnte die Reise ohne Zwischenstopp im Männershoppingparadies und horrende, unnötige Sonderausgaben fortsetzen. Halleluja.
Die Geschichte vom ersten Tag meiner Fotoreise ist nun vielleicht ein klitzekleines bisschen länger geworden als geplant, ha ha. Aber ich kann Euch beruhigen: die anderen werden definitiv kürzer! Wirklich und wahrhaftig!
Gleich beim ersten Spot ist einfach am meisten passiert, und die entstandenen Bilder sind leider überproportional enttäuschend dazu. Die Reise war so angelegt, dass dieses erste Motiv mir am wichtigsten war, am zweiten kam das zweitwichtigste, und am dritten Abend hatte ich auch etwas Schönes auf dem Zettel, aber da hing mein Herz (zunächst!) nicht dran. Und von der zweiten gewählten Unterkunft aus, hätte ich Motiv zwei und drei noch tauschen können, wenn es wettermäßig sinnvoll gewesen wäre. Genau entgegengesetzt zu meiner Wunschvorstellung der jeweiligen Bilder sind diese aber letztlich entstanden. Das Schiffswrack sollte das absolute Highlight sein, ich hatte Bilder mit absolutem BÄM-Effekt im Kopf, aber das habe ich überhaupt nicht umsetzen können. An dem Spot des dritten Abends sind aber letztlich die für mich schönsten Bilder entstanden. Da zeigt sich mal wieder, dass man noch so akribisch planen kann, letztlich gibt es zu viele Faktoren, die man nicht beeinflussen kann, und zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft jetzt eine Riesenlücke.
So habe ich jetzt das erste Mal Bilder in eine Fotogalerie geladen, die ich normalerweise gar hier nicht zeigen würde. Weil sie einfach überhaupt nicht gut sind. Natürlich habe ich dazu einen emotionalen Bezug, denn die sind nun wirklich das Paradebeispiel für mein viel erwähntes „hart erkämpft“ und eine Erinnerung an ein sowieso unvergessliches Erlebnis. Aber qualitativ machen die keinen großen Unterschied zu den Schnappschüssen, die ich mit dem Handy gemacht hab (bevor es meinte, aus mir unerfindlichen Gründen ein Schlammbad nehmen zu müssen). Ich könnte die Aufnahmen natürlich stärker bearbeiten, aber Ihr kennt meine Meinung dazu. Das ist einfach nicht mein Ding, und es sieht für mich einfach sch.. aus. Selbst bei den Fotos, die es jetzt zur Erinnerung in die Galerie geschafft haben, habe ich schon ganz schön an den Reglern gespielt. Es war einfach sooo flau vor Ort, da lässt sich im Nachhinein nichts rauskitzeln, was gut aussehen würde. Ich habe mich sogar erstmals darin versucht, ein Bild in Schwarz-Weiß zu entwickeln (und eins hat einen Antik-Look bekommen), in der Hoffnung, da etwas herauszuholen. Aber Entschuldigung: Schwarz-Weiß fotografiert man, wenn man es kann und wenn das Motiv es hergibt, aber mit Umwandlung in Schwarz-Weiß rettet man kein schlechtes Bild. Und für irgendwelchen Bearbeitungsspielkram hinterher bin ich da doch nicht hingefahren. Nun muss ich eben mit den Bildern leben, die ich bekommen habe. Und an die Wand kommen dann eben andere..
Der Vollständigkeit halber hier also die Bilder des ersten Hauptmotivs Schiffswrack Schillig