POLARLICHTER in Schleswig-Holstein

06.04.2022 17:00

Welcher Landschafts-, Natur- oder sonst wie begeisterte Fotograf träumt nicht davon, dieses faszinierende Naturschauspiel POLARLICHTER  einmal in seinem Leben aufzunehmen?

 

Norwegen und Island stehen auf meiner Fotoreisen-Wunschliste seeehr weit oben, und das nicht nur wegen der sagenhaften Landschaft, sondern auch wegen den Polarlichtern, die man dort sehr viel besser, beeindruckender und öfter zu sehen bekommt als bei uns.

 

Aber tatsächlich ist es auch in Deutschland gerade in den Küstenregionen (und somit auch in meinem Lieblingsbundes- und Heimatland Schleswig-Holstein) möglich, Polarlichter -in diesem Fall Nordlichter- mit bloßem Auge zu sehen oder wenigstens in einer längeren Belichtung auf den Kamerasensor zu bannen. Die Wahrscheinlichkeit ist natürlich deutlich geringer. Es kommt bei weitem nicht so oft vor und vor allem nicht in der Intensität wie in nördlicheren Breitengraden, aber möglich ist es.

 

Ich muss gestehen, obwohl es schon lange mein Wunsch ist, solche Lichter mal zu fotografieren, habe ich mich noch nicht sehr lange ernsthaft damit beschäftigt. Dieses Thema ist unheimlich komplex, und die Vorhersagen schwierig und nicht immer zutreffend. Eigentlich eher selten. Davon abgesehen ist das wirklich eine ernstzunehmende Wissenschaft, und so übermäßig wissenschaftlich begabt bin ich dann auch nicht. Zumindest war ich bisher zu faul, genug Zeit und Gehirnleistung in diese Thematik zu stecken. Leider.

 

Denn als es Mitte März eine ernstzunehmende Polarlicht-Vorhersage gab, dachte ich, wenn ich nie losfahre, kann ich auch nie Lichter fotografieren. Irgendwann muss ich es ja mal versuchen und mir einen Abend in der Kälte um die Ohren schlagen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, wirklich etwas zu erwischen insgesamt eher gering ist.

 

Also habe ich überlegt und recherchiert und beobachtet und nach einem für mich geeigneten Standort gesucht und bin an dem Sonntagabend tatsächlich allein Richtung Ostsee gefahren, um mein Glück zu versuchen. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

 

Tja. Was soll ich sagen. Glück und "Unglück" liegen manchmal sehr nah beieinander, und so war ich zunächst unfassbar glücklich und zufrieden und später so geknickt und am Boden zerstört, dass ich bis heute noch nicht wieder ganz im "Normalzustand" bin.

 

An meinem Zielort angekommen stellte ich direkt fest, dass meine Wahl des Standorts schon mal einigermaßen clever gewesen sein musste, denn es befanden sich schon einige andere Fotografen vor Ort (und es kamen später noch so einige hinzu). Und obwohl man mit dem bloßen Auge noch nichts am Nachthimmel erkennen konnte, war direkt auf meinem ersten Bild ein gaaanz leichtes grünes Licht zu erkennen, das über dem Horizont lag. Halleluja, da tat sich tatsächlich was!

 

Ich verbrachte also einige Zeit vor Ort und machte zahlreiche Aufnahmen. Die Fotografen kamen und gingen, wir verglichen unsere Resultate, tauschten uns über mögliche Einstellungen aus, ich schaute immer mal wieder in die App, ob und wie die Werte sich ändern, aber da sich auch nach Stunden die Aufnahmen kaum veränderten und letztlich aus dem einfachen Grund, dass es Sonntagabend war und ich am nächsten Morgen aufstehen und erstens das Kind zur Schule verfrachten musste und zweitens mich selbst zur Arbeit, brach ich um 23 Uhr meine Zelte ab. Es war für mich mit meinem Minimalwissen und noch recht neu in dem Thema Polarlichtvorhersagen einfach nicht absehbar, was da später noch kommen sollte.

Und so fuhr ich nach Hause.

 

Glücklich, beseelt und unglaublich dankbar in dem Moment, dass ich tatsächlich Polarlichter aufgenommen hatte. Mini-Lichter zwar, wirklich sanfte, aber immerhin als solche erkennbar. Keine wahnsinnig deutlichen, bunten, tanzenden Figuren am Himmel, aber grünes Licht und sogar ein paar magentafarbene Beamer.

 

Darauf müssen andere Polarlichtjäger manchmal schon Jahre warten und zig Mal losfahren, und ich hatte einfach direkt so ein unglaubliches Glück, welche zu erwischen.

 

Interessanterweise hatte ich beim Abfahren aber neben der Freude auch so ein gaaanz leichtes Bauchgefühl in Richtung „stell Dir mal vor, Du denkst jetzt, Du hättest geile Bilder gemacht und siehst am nächsten Tag grandiose Aufnahmen von unglaublichen Lichtern heute Nacht“..

 

Öhm. Ja. Ich sollte wohl öfter auf meinen Bauch hören.. Aber dass das wirklich noch SO ein Schauspiel werden würde, das hat wohl kaum einer kommen sehen. Ich jedenfalls nicht. Hätte ich gewusst, was da noch am Himmel passieren würde, mir wäre der Schlaf scheissegal gewesen. Mir war nicht kalt, ich musste nicht Pipi, ich hätte locker noch zwei Stunden draußen ausgehalten. Aber ich war halt ahnungslos.

 

Als ich knapp eineinhalb Stunden später in meinem Bett lag, ging am Himmel die Sau durch den Knick. Man konnte die einzigartigen Lichter nicht nur an Nord- und Ostsee bewundern, es wurden sogar mitten aus lichtverschmutzten Städten Bilder von mit bloßem Auge deutlich sichtbaren Polarlichtern gepostet.

 

Und so relativierte sich und schrumpfte mein Erfolgserlebnis im Laufe des nächsten Tages leider in einem Ausmaß, das ich kaum für möglich gehalten hätte.

 

Anatomisch mir definitiv unmöglich, aber hätte ich es gekonnt, ich hätte mir in den Arsch gebissen (habs versucht!). Ich hab mich so so sooo sehr selbst verflucht, warum ich nicht einfach noch da geblieben bin. Auch nach langem Nachdenken ist mir bis jetzt keine Foto-Situation eingefallen, über die ich mich so ärgere, bzw. wegen der ich mich über mich selbst so dermaßen ärgere und enttäuscht bin wie über das Nachhausefahren an diesem Sonntag. Das ist wirklich der Fail des Jahrzehnts für mich.

 

Das Zeitraffer-Video der seit Jahren stärksten Polarlichter, das es hier in Schleswig-Holstein auf einige Nachrichtenseiten und ins Fernsehen geschafft hat, wurde neben mir aufgenommen. Ich stand genau da, wo eineinhalb Stunden nach meiner Abfahrt ein absolut seltenes, beeindruckendes Schauspiel stattfand. Und ich habs verpasst.

 

Ich habe bei der Flut von spektakulären Bildern in den sozialen Medien dann sehr mit mir gehadert, ob ich meine Fotos überhaupt noch zeigen soll. Gegen die Aufnahmen zu späterer Stunde fallen die natürlich extrem ab. ABER je mehr diese Bilderflut in den folgenden Tagen abebbte, je mehr Leute sich trauten, auch ihre Bilder vom anfänglich schwachen Polarlicht zu posten, und je länger und öfter ich meine Fotos angesehen habe, desto mehr bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich die nicht verstecken muss.

 

Es sind keine Bilder, wie ich sie gern gemacht hätte und wie sie teilweise gemacht wurden, ABER es SIND Bilder vom Polarlicht. In Schleswig-Holstein. Das, was der Himmel an dem Abend gezeigt hat, habe ich ja gut eingefangen. Und was ich da aufnehmen konnte, war ja weit mehr, als ich überhaupt erwartet hatte. Also versuche ich, mich an den Fotos zu freuen.

 

Insofern präsentiere ich Euch zwar zerknischt, aber nicht ganz ohne Stolz, meine ersten (und hoffentlich nicht einzigen) POLARLICHTER. Da es meine ersten Lichter überhaupt sind, und das auch noch vor der eigenen Haustür sozusagen, versuche ich das Erlebnis und die entstandenen Bilder wertzuschätzen. Was mich natürlich nicht davon abhält, weiter zu versuchen, nochmal ne Schippe draufzulegen. Denn nun bin ich natürlich mega angefixt und zähle mich offiziell zu den Polarlichtjägern. Mit Hilfe entsprechender Facebook-Gruppen, einschlägigen Internetseiten und diversen pfiffigen Apps werde ich hoffentlich keine mögliche Gelegenheit mehr verpassen und dank verständnisvollem Chef ermöglicht nächstes Mal eine nächtliche Nachricht mein kurzfristiges Fernbleiben von der Arbeit und damit „Polarlichtjagd open end“. DAS passiert mir definitiv kein zweites Mal!

 

Hier ist nun meine Ausbeute vom 13. März 2022.

 

Für die einen vielleicht völlig unspektakulär, wenn sie selbst schon richtig tolle Polarlichter bewundern und vielleicht sogar aufnehmen konnten, für den einen oder anderen aber vielleicht durchaus schöne Aufnahmen, denn die seltenen Lichter sind immerhin zu erkennen.

 

POLARLICHTER in Schleswig-Holstein

 

P.S. Die beiden Bilder vom kleinen Leuchttürmchen in Bülk, die Ihr im Album An de Waterkant gesehen habt, sind übrigens während dieser Polarlichternacht entstanden. ;-)